Gardinenkneipe unter Denkmalschutz

In der Kneipe Zum Glaskasten in Winterhude ist Karl-Heinz Gebhardt der Chef. Der freundliche 67-Jährige ist ein alter Hase im Gaststättengewerbe. Neben dem Glaskasten führte er zahlreiche andere Kneipen in Hamburg – unter anderem auf St. Pauli. Heute bedient er seine Kunden ganz in der Nähe des Bahnhofs Saarlandstraße.

„Normalerweise bräuchte ich hier nicht mehr schuften. Ich bin ja Rentner. Aber was soll ich sonst tun. Ich arbeite selbst nur am Wochenende. Von Montag bis Freitag habe ich Angestellte. Dann sitze ich aber trotzdem hier. Das ist praktisch mein Stammplatz.“

Das Interview findet Sonntagnachmittag um 15 Uhr statt. Gebhardt ist zu diesem Zeitpunkt noch alleine. Sein Stammplatz liegt am Fenster, schräg gegenüber zur Bar. Von hier hat er den gesamten Laden im Blick und auch die Straße lässt sich gut beobachten.

„Ich bin häufig schon vormittags hier. Gegen 15.00 Uhr hau ich wieder ab und komme zwischen 18.00 und 19.00 Uhr wieder. Mein Platz ist dann meistens schon besetzt und ich muss mich an einen Tisch setzen. Es sei denn die Knobelrunde beginnt, dann werden alle verscheucht, die nicht mit knobeln.“

Karl-Heinz Gebhardt wurde 1943 in Hamburg geboren. Nach der Schule hat er 25 Jahre als Bierfahrer für die Berliner Schultheiss Brauerei gearbeitet. Als die Hamburger Niederlassung geschlossen wurde stieg er ins Kneipengeschäft ein.

„Ich war zuerst als Wirt in der Friedrichsstraße auf St. Pauli tätig. Jetzt gehört mir der Laden immer noch, ist aber verpachtet – also ein bisschen Geld kassieren, ohne was zu tun“. Gebhardt muss grinsen, als er das erzählt.

Die Kneipe in St. Pauli heißt jetzt Blaue Nacht und liegt gleich neben der Pilsbörse. Bevor er in seinen jetzigen Standort wechselte, war Gebhardt Besitzer vom Wiesenstübchen und einer anderen Gaststätte an der Vogelweide. Beide Kneipen existieren heute nicht mehr. Den Laden und den Namen Zum Glaskasten hat er vor 25 Jahren übernommen. Wie sich im Gespräch herausstellt, war der Vorbesitzer der verstorbene Mann von Frau Schmiedel aus der Capri Stube. Man kennt sich.

Die Kneipe Zum Glaskasten markiert die westliche Spitze der sogenannten Jarrestadt. Ende der zwanziger Jahre als Arbeiterquartier gebaut, steht das Viertel mit seinen dunkelroten Klinkerbauten heute unter Denkmalschutz. Dies gilt auch für den Glaskasten.

Dass hier Bestandsschutz herrscht, wird draußen wie drinnen deutlich. Das Inventar scheint schon länger im gleichen Zustand zu sein und auch die Gardinen wurden vermutlich nicht in hellem beige gekauft.

Veränderungen finden dennoch statt. Vor ein paar Jahren hat Gebhardt von Fass- auf Flaschenbier umgestellt.

„Früher, als ich noch Konkurrenz hatte, lief das Geschäft wesentlich besser. Aber wenn der Hahn nicht läuft, dann schmeckt das Fassbier nicht. Hier die Straße runter stand das Gretna Green, dann mein Wiesenstübchen und an der Ecke der Schnauzer. Alles hier am Wiesendamm. Als die noch da waren, hatte ich mehr Umsatz als heute. Die Gäste sind damals gependelt.“

Ein Problem, von denen schon andere Wirte auf Gardinenkneipe berichtet haben. Auch Gebhardt sieht das Problem im fehlenden Nachwuchs.

„Klar kommen hier nachts mal Cliquen rein. Aber wenn die gehen, dann siehst du die meistens nicht wieder. Ich lebe hier normalerweise nur von Stammgästen. Und da sind mir in den letzten 25 Jahren bestimmt schon 50%  weggekratzt. Der ganze Trend ist heute anders. Das fängt damit an, dass die Leute kein Geld haben und nur noch einmal in der Woche weggehen. Und die jungen Leute fahren dann lieber zum Kiez in irgendwelche Technoschuppen.“

Gebhardt würde sich wohl gerne weiter über das Thema Kneipensterben unterhalten, als die Tür aufgeht und das Ehepaar Loeh den Glaskasten betritt. Gemächlich steht er von seinem Stammplatz auf und schlurft Richtung Tresen.

Was Frau Loeh zu erzählen hat und warum die Hamburger Polizei  Aschenbecher konfisziert – in Teil 2

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